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Die deutsche Kunst

Einst wohnte sie in einem Märchenwalde,
Von Fabeltieren war ihr Schloß bewacht
Das lag auf einer sonnbeglänzten Halde,
Und ringsum war der Tannenforste Nacht.

Gar selten mochte einem es gelingen,
Der eines unerschrocknen Sinnes war,
Zu ihrem Märchenschlosse durchzudringen.
Die Menge scheute Mühe und Gefahr.

Doch durfte nun der Tapferste sie schauen,
War keiner froher auf dem Erdenrund,
Denn ihn umfing die holdeste der Frauen
Und küßte lächelnd Stirne ihm und Mund.

Nun ward es anders, hört' ich neulich melden,
Die deutsche Kunst zog aus dem Märchenwald
Und kam nach Norden zu den Schnurrbarthelden,
Wo alle Wochen eine Rede knallt.

Sie geht zu Hofe mit geschminkten Wangen,
Wo sie verlogne Schmeichelworte sagt,
In einer Laune gnädiglich empfangen,
In einer Laune wieder fortgejagt. - Ludwig Thoma, 18657-1921

Ode an Apoll - Conrad Celtis
Die deutsche Muse - Friedrich von Schiller
Über die Kunst - Friedrich von Schiller

Trennt ihr vom Inhalt die Form, so seid ihr nicht schaffende Künstler.
Form ist vom Inhalt der Sinn, Inhalt das Wesen der Form.
(Hugo von Hofmannsthal, 1874-1929)

Die Kunst ist die irdische Schwester ihrer himmlischen, der Religion. Sie hat die Erscheinungen und Beziehungen des Erdenlebens vom Gesichtspunkte des Schönen und Edlen aus darzustellen und dadurch dahin zu wirken, daß dieses Edle und Schöne sich am Menschen aus dem Ideale zur Wahrheit entwickele. Sie ist also neben der Religion die berufenste Lehrerin des Menschengeschlechtes. Karl Friedrich May, 1842-1912

Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren - Novalis
Bittschrift - Friedrich von Schiller
Freie Kunst - Ludwig Uhland
Malers Morgenlied - Joseph Freiherr von Eichendorff

Genie und Kunst
Wen wahrhaft die Natur zum wirklichen Dichter gebildet,
Der wird emsig und voll Eifers erlernen die Kunst:
Nicht, weil nie er die Kunst ausgrübelte, stümpert der Stümper,
Nein – weil ihm die Natur weigert den tiefen Impuls.
August von Platen, 1796-1835

Farbenstäubchen auf der Schwinge
Sommerlicher Schmetterlinge
Flüchtig sind sie, sind vergänglich
Wie die Gaben, die ich bringe,
Wie die Kränze, die ich flechte,
Wie die Lieder, die ich singe:
Schnell vorüber schweben alle,
Ihre Dauer ist geringe,
Wie ein Schaum auf schwanker Welle,
Wie ein Hauch auf blanker Klinge.
Nicht Unsterblichkeit verlang ich,
Sterben ist das Los der Dinge:
Meine Töne sind zerbrechlich
Wie das Glas, an das ich klinge. — August von Platen, 1796-1835

Einer Schauspielerin

Nicht an die Scholle kette Dein Geschick,
in keinem Boden wirst Du Wurzeln schlagen,
lass nie begehrend haften Deinen Blick,
es muss Dein Fuß Dich rastlos weiter tragen,
und wirst Du matt, so ruh' ein Weilchen aus,
um Deine Kraft zum fernem Weg zu laben:
Doch nirgend baue Dir ein bleibend Haus –
es darf der Künstler keine Heimat haben.

Ein Wandervogel, sing' auf jedem Ast
entzückten Hörern Deine besten Lieder;
wenn Du den letzten Ton gespendet hast,
entfliehe schnell auf leichten Schwingen wieder;
und ist der Schmerz der Trennung noch so groß,
süß ist es, für die eig'ne Wahl zu leiden:
Du weihtest Dich der Kunst, nun ist Dein Los
ein fröhlich Kommen und ein traurig Scheiden.

Nur suche Dir ein Herz, wo Du auch weilst,
darin sich Dein's zu sanfter Ruhe bettet,
das Dir zur Ferne folgt, wenn Du enteilst,
das Sehnsucht immer fester Dir verkettet.
So wandle fort und fort zum Ziel hinan,
und wähnst Du einsam Dich in trüben Stunden:
Verzage nicht! Hast Du auf Deiner Bahn
doch eine Heimat überall gefunden.

Albert Traeger (1830 –1912), aus der Sammlung Erinnerungen

 

 

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