Daphne und Apoll
Romanze
Ich will euch Daphnens Schicksal lehren,
Kommt, höret mich!
Des holden Mädchens, das Cytheren
An Schönheit glich.
Apoll, der gern nach Mädchen schielte,
Wie Dichter thun,
Sah einst im Thal, wo Zephyr spielte,
Die Daphne ruhn.
Er nahte sich mit Stutzertritten;
Kein Reh flieht so
Als sie, da sie mit Zephyrschritten
Dem Gott entfloh.
Sie flog voran, Apollo keuchte
Ihr hitzig nach,
Bis er das arme Ding erreichte
Am Silberbach.
Errettet mich, ruft sie, ihr Götter!
Die Thörinn die!
Zevs winkt - und starre Lorbeerblätter
Umfliegen sie.
Ihr Füßgen, sonst so niedlich, pflanzte
Sich plötzlich fest
Tief in der Erde. Säuselnd tanzte
Um sie der West.
Apollo weinte ganze Stunden
Um diesen Baum.
Er hielt den kalten Stamm umwunden,
Und lebte kaum.
Er wand darauf von Daphnens Haaren
Sich einen Kranz,
Und eilte, Freude zu erfahren,
Zum Göttertanz.
Noch jetzt zerzaußt der Schönen Locken
Ein kleiner Graf,
Und krönt mit ihren grünen Locken
Bald Mäv, bald Bav.
Laßt euch dies Beyspiel, Mädchen, rühren,
Thut eure Pflicht,
Und flieht, so lang euch Reitze zieren,
Uns Männer nicht.
Wenn euch auf runzelvollen Wangen,
Kein Purpur glüht,
Und keine Amoretten bangen,
Dann flieht nur, flieht.
Ludwig Christoph Heinrich Hölty, 1748-1776
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