Gedichte - Zeit - Tag - Nacht

Wesen in Wesen sich wiederfindet, Und alles Hoffens Ende sich kündet; Die Lippe verstummt in staunendem Schweigen, Keinen Wunsch mehr will das Innre zeugen: Erkennt der Mensch des Ewigen Spur, Und löst dein Rätsel, heil'ge Natur! Mathilde Wesendonck, 1828-1902 - Die Zeit Es gibt ein sehr probates Mittel, die Zeit zu halten am Schlawittel: Man nimmt die Taschenuhr zur Hand und folgt dem Zeiger unverwandt, Sie geht so langsam dann, so brav als wie ein wohlgezogen Schaf, setzt Fuß vor Fuß so voll Manier als wie ein Fräulein von Saint-Cyr. Jedoch verträumst du dich ein Weilchen, so rückt das züchtigliche Veilchen mit Beinen wie der Vogel Strauß und heimlich wie ein Puma aus. Und wieder siehst du auf sie nieder; ha, Elende! - Doch was ist das? Unschuldig lächelnd macht sie wieder die zierlichsten Sekunden-Pas. Christian Morgenstern, 1871-1914 - Zeitgeist Der Zeitgeist Zu lang schon waltest über dem Haupte mir, Du in der dunkeln Wolke, du Gott der Zeit! Zu wild, zu bang ists ringsum, und es Trümmert und wankt ja, wohin ich blicke. Ach! wie ein Knabe, seh ich zu Boden oft, Such in der Höhle Rettung von dir, und möcht, Ich Blöder, eine Stelle finden, Alleserschüttrer! wo du nicht wärest.

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