Schon glühet sie von seinen heißen Küssen, Nicht weiß die Arme, wie ihr will geschehen, Sie siehet tausend Blütensterne sprießen Und rings um sich ein Zauberland entstehen. Das zarte Herz, das lang verschlossen träumte, Erschließt sich jetzt in unbegrenztem Sehnen; Was unsichtbar im reichen Innern keimte, Eröffnet üppig sich mit Liebestränen. Noch zittert sie, und schon ist sie entschwunden, Der schöne Fremdling, dem sie sich ergeben. Er hat sie leider nimmermehr gefunden - Lang ist die Liebe, doch nur kurz ist das Leben. Und stille wird die Rose nun verblühen, Die Blätter fallen schon, eins nach dem andern. So wird auch unser Jugendstern verglühen - Wir träumen nur, wir lieben und wir wandern. Gottfried Keller, 1819-1890 - Mein Garten Schön ist mein Garten mit den goldnen Bäumen, Den Blättern, die mit Silbersäuseln zittern, Dem Diamantentau, den Wappengittern, Dem Klang des Gong, bei dem die Löwen träumen, Die ehernen, und den Topasmäandern Und der Volière, wo die Reiher blinken, Die niemals aus dem Silberbrunnen trinken ... So schön, ich sehn mich kaum nach jenem andern, Dem andern Garten, wo ich früher war. Ich weiß nicht wo ... Ich rieche nur den Tau, Den Tau, der früh an meinen Haaren hing, Den Duft der Erde weiß ich, feucht und lau, Wenn ich die weichen Beeren suchen ging ... In jenem Garten, wo ich früher war ... Hugo von Hofmannsthal, 1874-1929 -
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