Gedichte Lebensstufen - Lebensalter
Des Herzens Frühling dir, Der Gott der Jugend waltet Noch über dir und mir. Wie unter Tiburs Bäumen, Wenn da der Dichter saß, Und unter Götterträumen Der Jahre Flucht vergaß, Wenn ihn die Ulme kühlte, Und wenn sie stolz und froh Um Silberblüten spielte, Die Flut des Anio; Und wie um Platons Hallen, Wenn durch der Haine Grün, Begrüßt von Nachtigallen, Der Stern der Liebe schien, Wenn alle Lüfte schliefen, Und, sanft bewegt vom Schwan, Cephissus durch Oliven Und Myrtensträuche rann, So schön ists noch hienieden! Auch unser Herz erfuhr Das Leben und den Frieden Der freundlichen Natur; Noch blüht des Himmels Schöne, Noch mischen brüderlich In unsers Herzens Töne Des Frühlings Laute sich. Drum such im stillsten Tale Den düftereichsten Hain, Und gieß aus goldner Schale Den frohen Opferwein, Noch lächelt unveraltet Das Bild der Erde dir, Der Gott der Jugend waltet Noch über dir und mir. Friedrich Hölderlin, 1770-1843 -
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