über Sprache Dichtkunst Poesie Poetik
Ging sie schutzlos, ungeehrt. Rühmend darfs der Deutsche sagen, Höher darf das Herz ihm schlagen: Selbst erschuf er sich den Wert. Darum steigt in höherm Bogen, Darum strömt in vollern Wogen Deutscher Barden Hochgesang, Und in eigner Fülle schwellend Und aus Herzens Tiefen quellend, Spottet er der Regeln Zwang. Friedrich von Schiller, 1759-1805 - Die deutsche Kunst Einst wohnte sie in einem Märchenwalde, Von Fabeltieren war ihr Schloß bewacht Das lag auf einer sonnbeglänzten Halde, Und ringsum war der Tannenforste Nacht. Gar selten mochte einem es gelingen, Der eines unerschrocknen Sinnes war, Zu ihrem Märchenschlosse durchzudringen. Die Menge scheute Mühe und Gefahr. Doch durfte nun der Tapferste sie schauen, War keiner froher auf dem Erdenrund, Denn ihn umfing die holdeste der Frauen Und küßte lächelnd Stirne ihm und Mund. Nun ward es anders, hört' ich neulich melden, Die deutsche Kunst zog aus dem Märchenwald Und kam nach Norden zu den Schnurrbarthelden, Wo alle Wochen eine Rede knallt. Sie geht zu Hofe mit geschminkten Wangen, Wo sie verlogne Schmeichelworte sagt, In einer Laune gnädiglich empfangen, In einer Laune wieder fortgejagt. Ludwig Thoma, 18657-1921
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