Gedichte - Naturlyrik - Flora Fauna

Aus den Blättern der Narzisse Schwebt ein Knab' mit düstern Blicken, Tritt an's Bett, um heiße Küsse Auf des Mädchens Mund zu drücken. Doch um's Lager drehn und schwingen Sich die andern wild im Kreise, Drehn und schwingen sich, und singen Der Entschlaf'nen diese Weise: "Mädchen, Mädchen! Von der Erde Hast du grausam uns gerissen, Daß wir in der bunten Scherbe Schmachten, welken, sterben müssen! "O, wie ruhten wir so selig An der Erde Mutterbrüsten, Wo, durch grüne Wipfel brechend, Sonnenstrahlen heiß uns küßten! "Wo uns Lenzeslüfte kühlten, Unsre schwanken Stengel beugend; Wo wir Nachts als Elfen spielten, Unserm Blätterhaus entsteigend. "Hell umfloß uns Tau und Regen; Jetzt umfließt uns trübe Lache; Wir verblüh'n, doch eh' wir sterben, Mädchen! trifft dich uns're Rache." Der Gesang verstummt; sie neigen Sich zu der Entschlaf'nen nieder. Mit dem alten dumpfen Schweigen Kehrt das leise Flüstern wieder. Welch' ein Rauschen, welch' ein Raunen! Wie des Mädchens Wangen glühen! Wie die Geister es anhauchen! Wie die Düfte wallend ziehen! Da begrüßt der Sonne Funkeln Das Gemach; die Schemen weichen. Auf des Lagers Kissen schlummert Kalt die lieblichste der Leichen.

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