Gedichte - Naturlyrik - Flora Fauna

Gedichte über Pflanzen und Tiere aus Feld, Wald, Wiese, Garten, aus Flora und Fauna Naturgedichte Flucht In der Freie will ich leben, In dem Sarge dumpft der Tod. Sieh nur dort das Abendrot Um die heitern Hügel weben, In der Freie blüht das Leben, In der Enge hockt die Not. Eilt drum, eilt hinaus zu streben, Eh`das Herz zu stocken droht, Licht und Luft und Raum ist not. In der Freie will ich leben, Traute Vögel, laßt uns schweben, Folgsam der Natur Gebot. Karl Lappe, 1773-1843 - Aus der Flora (Pflanzenwelt) Die Metamorphose der Pflanzen Dich verwirret, Geliebte, die tausendfältige Mischung Dieses Blumengewühls über dem Garten umher; Viele Namen hörest du an, und immer verdränget Mit barbarischem Klang einer den andern im Ohr. Alle Gestalten sind ähnlich, und keine gleichet der andern; Und so deutet das Chor auf ein geheimes Gesetz, Auf ein heiliges Rätsel. Oh, könnt ich dir, liebliche Freundin, Überliefern sogleich glücklich das lösende Wort! Werdend betrachte sie nun, wie nach und nach sich die Pflanze,

Stufenweise geführt, bildet zu Blüten und Frucht. Aus dem Samen entwickelt sie sich, sobald ihn der Erde Stille befruchtender Schoß hold in das Leben entläßt Und dem Reize des Lichts, des heiligen, ewig bewegten, Gleich den zärtesten Bau keimender Blätter empfiehlt. Einfach schlief in dem Samen die Kraft; ein beginnendes Vorbild Lag, verschlossen in sich, unter die Hülle gebeugt, Blatt und Wurzel und Keim, nur halb geformet und farblos; Trocken erhält so der Kern ruhiges Leben bewahrt, Quillet strebend empor, sich milder Feuchte vertrauend, Und erhebt sich sogleich aus der umgebenden Nacht. Aber einfach bleibt die Gestalt der ersten Erscheinung; Und so bezeichnet sich auch unter den Pflanzen das Kind. Gleich darauf ein folgender Trieb, sich erhebend, erneuet, Knoten auf Knoten getürmt, immer das erste Gebild. Zwar nicht immer das gleiche; denn mannigfaltig erzeugt sich, Ausgebildet, du siehst's, immer das folgende Blatt, Ausgedehnter, gekerbter, getrennter in Spitzen und Teile, Die verwachsen vorher ruhten im untern Organ. Und so erreicht es zuerst die höchst bestimmte Vollendung, Die bei manchem Geschlecht dich zum Erstaunen bewegt. Viel gerippt und gezackt, auf mastig strotzender Fläche, Scheinet die Fülle des Triebs frei und unendlich zu sein. Doch hier hält die Natur, mit mächtigen Händen, die Bildung An und lenket sie sanft in das Vollkommnere hin. Mäßiger leitet sie nun den Saft, verengt die Gefäße, Und gleich zeigt die Gestalt zärtere Wirkungen an. Stille zieht sich der Trieb der strebenden Ränder zurücke, Und die Rippe des Stiels bildet sich völliger aus. Blattlos aber und schnell erhebt sich der zärtere Stengel, Und ein Wundergebild zieht den Betrachtenden an. Rings im Kreise stellet sich nun, gezählet und ohne Zahl, das kleinere Blatt neben dem ähnlichen hin. Um die Achse gedrängt, entscheidet der bergende Kelch sich, Der zur höchsten Gestalt farbige Kronen entläßt. Also prangt die Natur in hoher, voller Erscheinung, Und sie zeiget, gereiht, Glieder an Glieder gestuft. Immer staunst du aufs neue, sobald sich am Stengel die Blume Über dem schlanken Gerüst wechselnder Blätter bewegt. Aber die Herrlichkeit wird des neuen Schaffens Verkündung; Ja, das farbige Blatt fühlet die göttliche Hand, Und zusammen zieht es sich schnell; die zärtesten Formen,

Zwiefach streben sie vor, sich zu vereinen bestimmt. Traulich stehen sie nun, die holden Paare, beisammen, Zahlreich ordnen sie sich um den geweihten Altar. Hymen schwebet herbei, und herrliche Düfte, gewaltig, Strömen süßen Geruch, alles belebend, umher. Nun vereinzelt schwellen sogleich unzählige Keime, Hold in den Mutterschoß schwellender Früchte gehüllt. Und hier schließt die Natur den Ring der ewigen Kräfte; Doch ein neuer sogleich fasset den vorigen an, Daß die Kette sich fort durch alle Zeiten verlänge Und das Ganze belebt, so wie das Einzelne, sei. Wende nun, o Geliebte, den Blick zum bunten Gewimmel, Das verwirrend nicht mehr sich vor dem Geiste bewegt. Jede Pflanze verkündet dir nun die ew'gen Gesetze, Jede Blume, sie spricht lauter und lauter mit dir. Aber entzifferst du hier der Göttin heilige Lettern, Überall siehst du sie dann, auch in verändertem Zug. Kriechend zaudre die Raupe, der Schmetterling eile geschäftig, Bildsam ändre der Mensch selbst die bestimmte Gestalt! O gedenke denn auch, wie aus dem Keim der Bekanntschaft Nach und nach in uns holde Gewohnheit entsproß, Freundschaft sich mit Macht aus unserm Innern enthüllte, Und wie Amor zuletzt Blüten und Früchte gezeugt. Denke, wie mannigfach bald die, bald jene Gestalten, Still entfaltend, Natur unsern Gefühlen geliehn! Freue dich auch des heutigen Tags! Die heilige Liebe Strebt zu der höchsten Frucht gleicher Gesinnungen auf, Gleicher Ansicht der Dinge, damit in harmonischem Anschaun Sich verbinde das Paar, finde die höhere Welt. Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832 - Gedichte über Bäume — Blätter — Blüten Stille Kameraden Sie stehen still, die Häupter stolz erhoben. Aus einem Kern entkeimten sie der Erde Schoß. Sie wuchsen langsam, wurden mächtig, stark und groß und strebten stets zum Licht empor, nach oben.

Sie überlebten Menschen und die Zeiten. Berichten stumm aus den Vergangenheiten, erzählen Märchen uns auf Waldes Pfaden, die Bäume, diese stillen Kameraden. In ihnen lebt ein ganz geheimes Schweigen, und wer die Bäume liebt, der wird es wohl verstehn. Man hört die Zwerge kichern, flüstern mit den Feen und den Gesang der Englein in den Zweigen. Die Bäume sind verwurzelt mit den Tagen der Väter und der Heldensagen. Die allerschönsten Lieder und Balladen erdichten uns die stillen Kameraden. Es ist ein Wunder, Bäume anzusehen in ihrer Größe, Stärke und Beständigkeit. Die rauhen Stämme stehen fest zu jeder Zeit, wenn auch die Äste krachen und die Stürme wehen. Sie streben zu der Sonne, zu den Sternen. Wir kleinen Menschenkinder sollten lernen, des Lebens Bürde stolz auf uns zu laden wie diese starken, stillen Kameraden. Fred Endrikat, 1890-1942 - Zerblättern die Apfelblüten Wie kleines feines Papier zerblättern die Apfelblüten, Schier ein Atemhauch entführt sie dir, Kannst sie mit keiner Hand vorsichtig hüten. Sind wie ein rosiger Hauch, der über Nacht entstand, Und sie entschweben auch, eh du's gedacht; Haben glückliche Augenblicke in die Leere gebracht. Sind wie Liebessekunden flüchtig entschwunden.

Waren in Gedanken unendlich groß, regnen zur Erde lautlos Und liegen dir wie ein Blättlein Papier unscheinbar im Schoß Max Dauthendey 1867-1918 - Blütenleben Lauer Schatten. Ein blühender Birnbaum auf altem müden Gemäuer. Bronzefarbenes Moos quillt über die Kanten und Risse. Ringsum Gras, junggrün und durchsichtig. Es neigt sich leise und schmiegsam. Harte blaßgelbe Winterhalme zittern dazwischen, farblos und schwach, wie vergrämte greise Haare. Aschgraues und purpurbraunes Laub, mit feinem Metallschimmer, wie tiefes gedunkeltes Silber deckt den Grund. Hie und da ein weißes Blütenblatt mit blaßrosiger Lippe. Leicht, zart, aber müde. Das Geäst biegt sich dicht und tief zur Erde. Sacht zerrinnt Blüte um Blüte und gleitet weiß, zögernd nieder. Die Zweige senken sich tief, bis zu den einsam gefallenen Blüten. Das Alter hat den Stamm zerschürft. In der gefurchten Rinde ziehen die Ameisen eine Straße hoch hinauszur Krone. Emsig und flink rennt es aneinander vorüber. Und dann oben die Bienen. llig und lüstern von den süßen Lippen und klammern trunken an den weichen Blütenrändern. Ein üppiges Summen ist in der Laubkrone, ein einförmig gärender Ton. Die Blüten zittern leise, und die jungen Blattspitzen Zittern. Der alte Baum wiegt sich und seufzt. Duft löst sich, schwebt hinaus in den blauen Sonnenschein, warmsüß und scharf herb. Max Dauthendey, 1867-1918 - Under der linden an der heide, dâ unser zweier bette was, Dâ muget ir vinden schône beide gebrochen bluomen unde gras. Vor dem walde in einem tal, tandaradei, schône sanc diu nahtegal. Ich kam gegangen zuo der ouwe: dô was mîn friedel komen ê.

Dâ wart ich empfangen, hêre frouwe, daz ich bin saelic iemer mê. Kuster mich? wol tûsentstunt: tandaradei, seht wie rôt mir ist der munt. Dô het er gemachet alsô rîche von bluomen eine bettestat. Des wirt noch gelachet inneclîche, kumt iemen an daz selbe pfat. Bî den rôsen er wol mac, tandaradei, merken wâ mirz houbet lac. Daz er bî mir laege, wessez iemen (nu enwelle got!), sô schamt ich mich. Wes er mit mir pflaege, niemer niemen bevinde daz, wan er und ich. Und ein kleinez vogellîn: tandaradei, daz mac wol getriuwe sîn. Walther von der Vogelweide, ca. 1170-1230 - Blühender Kirschbaum Ungezählte frohe Hochzeitsgäste, Groß und kleine, einfach' und betretzte, Herrn und Frauen, Edelfräulein, Ritter, Ungezählte Väter wohl und Mütter,

Ungezählte Kinder, Großmatronen, Jägerinnen viel und Amazonen, Freche Dirnen auch mit Ernsten, Frommen Auf dem Edelhof zusammenkommen. Ungezählte bräutlich schöne Zimmer, Da und dort wohl mädchenhafter Flimmer, Ungezählte rosige Hochzeitsbetten Und daneben traulich traute Stätten, Rosenfarbig ausgeschlagne Stübchen Für die Hafnerinnen und Schönliebchen, Ungezählte Schalen mit Getränken, Ungezählte Köche wohl und Schenken, Ungemessner Raum zu freiem Walten In dem Hochzeitshause ist enthalten. Ungezähltes Kommen oder Gehen, Abschiednehmen, Kehren, Wiedersehen, Essen, Trinken, Tanzen, Liebesgrüßen, Liebgewordnes umarmen müssen, Ungezähltes inniges Umfassen, Götterfreies Sichgewährenlassen, Ungezähltes Leid und Selbstvergessen In dem luftigen Saale – währenddessen Ungezählte selige Minuten An dem Freudenheim vorüberfluten. Christian Wagner, 1835-1918 - Kirschblüte bei der Nacht Ich sahe mit betrachtendem Gemüte Jüngst einen Kirschbaum, welcher blühte, In kühler Nacht beim Mondenschein; Ich glaubt, es könne nichts von größrer Weiße sein. Es schien, als wär ein Schnee gefallen; Ein jeder, auch der kleinste Ast Trug gleichsam eine rechte Last Von zierlich weißen runden Ballen. Es ist kein Schwan so weiß, da nämlich jedes Blatt, Indem daselbst des Mondes sanftes Licht Selbst durch die zarten Blätter bricht,

Sogar den Schatten weiß und sonder Schwärze hat. Unmöglich, dacht ich, kann auf Erden Was weißers aufgefunden werden. Indem ich nun bald hin, bald her Im Schatten dieses Baumes gehe, Sah ich von ungefähr Durch alle Blumen in die Höhe Und ward noch einen weißern Schein, Der tausendmal so weiß, der tausendmal so klar, Fast halb darob erstaunt, gewahr. Der Blüte Schnee schien schwarz zu sein Bei diesem weißen Glanz. Es fiel mir ins Gesicht Von einem hellen Stern ein weißes Licht, Das mir recht in die Seele strahlte. Wie sehr ich mich an Gott im Irdischen ergetze, Dacht ich, hat er dennoch weit größre Schätze. Die größte Schönheit dieser Erden Kann mit der himmlischen doch nicht verglichen werden. Barthold Hinrich Brockes, 1680-1747 - Vom Kirschbaum Ist alles ganz kahl und still, nicht mal im Grase sich's regen will. steht alles geduckt, klappert im Frost und muckt mit dem Winter. Der putzt es mit Rauhreif auf, aber keines gibt was drauf. Doch im Garten sagt einer: " Ich kann warten." Ist jemand, du kennst ihn wieder kaum, so dünn ist er worden: der Kirschenbaum. Schläft er nicht? Trau einer dem Wicht! Heute Mittag, um Uhre eins gab's mal ein Pröbchen Sonnenscheins: Darin - ich habe das deutlich gesehn - mit seinen Knospen

fingerte der alte Knabe, ein wenig vorsichtig und geziert, wie man Badewasser probiert. Und über seine Runzeln ging ein Schmunzeln. Ferdinand Avenarius, 1856-1923 - Das Lied vom Kirschbaum Zum Frühling sagt der liebe Gott "Geh, deck dem Wurm auch seinen Tisch!" Gleich treibt der Kirschbaum Laub um Laub, vieltausend Blätter, grün und frisch. Das Würrnchen ist im Ei erwacht, es schlief in seinem Winterhaus; es streckt sich, sperrt sein Mäulchen auf und reibt die blöden Augen aus. Und darauf hat's mit stillem Zahn an seinen Blätterchen genagt; es sagt: "Man kann nicht weg davon! Was solch Gemüs' mir doch behagt!"- Und wieder sagt der liebe Gott: "Deck jetzt dem Bienchen seinen Tisch!" Da treibt der Kirschbaum Blüt' an Blüt", vieltausend Blüten, weiß und frisch. Und's Bienchen sieht es in der Früh im Morgensonnenschein und fliegt heran und denkt: Das wird mein Kaffee sein; was ist das kostbar Porzellan! Wie sind die Täßchen rein gespült!" Es steckt sein Züngelchen hinein, es trinkt und sagt: Wie schmeckt das süß! Da muß der Zucker wohlfeil sein!" Zum Sommer sagt der liebe Gott: "Geh, deck dem Spatzen seinen Tisch!"

Da treibt der Kirschbaum Frucht an Frucht, vieltausend Kirschen, rot und frisch. Und Spätzchen sagt: "Ist's so gemeint? ich setz' mich hin, ich hab' App'tit, das gibt mir Kraft in Mark und Bein, stärkt mir die Stimm' zu neuem Lied."- Da sagt zum Herbst der liebe Gott: "Räum fort, sie haben abgespeist!" Drauf hat die Bergluft kühl geweht, und 's hat ein bissel Reif geeist. Die Blätter werden gelb und rot, eins nach dem andern fällt schon ab, und was vom Boden stieg herauf, zum Boden muß es auch hinab. Zum Winter sagt der liebe Gott: "Jetzt deck, was übrig ist, mir zu!" Da streut der Winter Flocken drauf; nun danket Gott und geht zur Ruh'! Johann Peter Hebel, 1760-1826 -

Wem gehört das junge Laub das die Knospen heut durchbricht? Der sei meiner Bitt` nicht taub, Der bewahr` es vor dem Licht! Denn es lockt, es reizt, es drängt, Und im Froste es versengt! Unentfaltet, zart und schwach Schaut es halb zusammgedrückt, Mit den Augen überwach Zu dem Lichte hochentzückt. Möchte schon zum Himmelsraum, - Und gehört doch noch dem Baum! Achim von Arnim, 1781-1831 - Maienkätzchen, erster Gruß, Ich breche euch und stecke euch An meinen alten Hut. Maienkätzchen, erster Gruß, Einst brach ich euch und steckte euch Der Liebsten an den Hut. Detlev von Liliencron, 1844-1909

Blühende Bäume Was singt in mir zu dieser Stund Und öffnet singend mir den Mund, Wo alle Äste schweigen Und sich zur Erde neigen? Was drängt aus Herzensgrunde Wie Hörnerschall zutag Zu dieser stillen Stunde, Wo alles träumen mag Und träumend schweigen mag? An Ästen, die sich neigen, Und braun und dunkel schweigen, Springt auf die weiße Blütenpracht Und lacht und leuchtet durch die Nacht Und bricht der Bäume Schweigen, Daß sie sich rauschend neigen Und rauschend ihre Blütenpracht Dem dunklen Grase zeigen! So dringt zu dieser stillen Stund Aus dunklem, tiefem Erdengrund Ein Leuchten und ein Leben Und öffnet singend mir den Mund Und macht die Bäum erbeben,

Daß sie in lichter Blütenpracht Sich rauschend wiegen in der Nacht! Hugo von Hofmannsthal, 1874-1929 - Blütenreife 1 Die Blüten schlafen am Baume In schwüler, flüsternder Nacht, Sie trinken in duftigem Traume Die flimmernde, feuchte Pracht. Sie trinken den lauen Regen, Den glitzernden Mondenschein, Sie zittern dem Licht entgegen, Sie saugen es taumelnd ein: Sie sprengen die schweigende Hülle Und gleiten berauscht durch die Luft Und sterben an der Fülle Von Glut und Glanz und Duft. Das war die Nacht der Träume, Der Liebe schwül gärende Nacht, Da sind mit den Knospen der Bäume Auch meine Lieder erwacht. Sie sprengten die schweigende Hülle Und glitten berauscht durch die Luft Und starben an der Fülle Von Glut und Glanz und Duft. 2 Und es fragen mich die Leute: "Sag, wie kommts, daß deine Lieder

So das Gestern wie das Heute Spiegeln tausendtönig wieder? Wenn nur einer Stunde Beben Sie beseelet und entzündet, Sag, wie kommts, daß all dein Leben Bunt und seltsam in sie mündet, All dein Grübeln und dein Träumen In die Töneflut sich schlinget, Der Gedanken wechselnd Schäumen Dumpf durch deine Lieder klinget?" Und ich sage: "Seht, es gleichen Meine Lieder jenen Blüten, Die ja auch in einer weichen, Heißen, einzgen Nacht erblühten, Und im Kelche dennoch tragen Eines ganzen Lebens Währen: Sonne von versunknen Tagen, Ferner Frühlingsnächte Gären." Hugo von Hofmannsthal, 1874-1929 - La feuille De ta tige détachée, Pauvre feuille desséchée, Où vas-tu? - Je n`en sais rien. L`orage a brisé le chêne Qui seul était mon soutien. De son inconstante haleine Le zéphyr ou l`aquilon

Depuis ce jour me promène De la forêt à la plaine, De la montagne au vallon. Je vais où le vent me mène, Sans me plaindre ou m`effrayer: Je vais où va toute chose, Où va la feuille de rose Et la feuille de laurier. Antoine Vincent Arnault, 1766-1834 - O wie ist der Epheu treu! Kann er sich nicht selbst erheben Kann er gleich dem Wein nicht reben, Kann er doch so liebend ranken An den Armen an den Kranken Auf zum wahren Weinstock streben! O wie ist der Epheu gut Wo er nur ein bißchen ruht Gleich die Würzelchen fest klammern, Daß die Trennung ihn muß jammern, O wie ist der Epheu treu, Wenn die Grabesurne bricht Läßt sie doch der Epheu nicht Bindet um die Asche fest die Scherben, Denn getrennet muß er sterben. O wie ist der Epheu hold Aus der Wüste steigt er auf Wie die Braut die sich auf den Geliebten stützet. O wie ist der Epheu zäh Von der Wurzel losgeschnitten Werden Wurzeln seine Zweige Daß er nie von jenem weiche Was er einmal hat umarmt. O wie ist der Epheu sinnend Und das was er sinnet minnend, Wer trennt mich von meiner Liebe, Um das Kreuz schlingt er die Triebe.

In der Wüste lag ein Stein So allein, allein, allein Kam der Epheu zäh und kraus Baute drum ein grünes Haus Immergrün ist er geblieben Sollte ihn der Stein nicht lieben. Clemens Brentano, 1778-1842 - Die Eichbäume Aus den Gärten komm ich zu euch, ihr Söhne des Berges! Aus den Gärten, da lebt die Natur, geduldig und häuslich, Pflegend und wieder gepflegt mit dem fleißigen Menschen zusammen. Aber ihr, ihr Herrlichen! steht wie ein Volk von Titanen In der zahmeren Welt und gehört nur euch und dem Himmel, Der euch nährt` und erzog, und der Erde, die euch geboren. Keiner von euch ist noch in die Schule der Menschen gegangen, Und ihr drängt euch fröhlich und frei, aus der kräftigen Wurzel, Unter einander herauf und ergreift, wie der Adler die Beute, Mit gewaltigem Arme den Raum, und gegen die Wolken Ist euch heiter und groß die sonnige Krone gerichtet. Eine Welt ist jeder von euch, wie die Sterne des Himmels Lebt ihr, jeder ein Gott, in freiem Bunde zusammen. Könnt ich die Knechtschaft nur erdulden, ich neidete nimmer Diesen Wald und schmiegte mich gern ans gesellige Leben. Fesselte nur nicht mehr ans gesellige Leben das Herz mich, Das von Liebe nicht läßt, wie gern würd ich unter euch wohnen! Friedrich Hölderlin, 1770-1843 - Die Erlen Wo hier aus den felsichten Grüften Das silberne Bächelchen rinnt, Umflattert von scherzenden Lüften Des Maies die Reize gewinnt, Um welche mein Mädchen es liebt Das Mädchen so rosicht und froh

Und oft mir ihr Herzchen hier gibt, Wenn städtisches Wimmeln sie floh; Da wachsen auch Erlen, sie schatten Uns beide in seliger Ruh, Wenn wir von der Hitze ermatten Und sehen uns Fröhlichen zu. Aus ihren belaubeten Zweigen Ertönet der Vögel Gesang Wir sehen die Vögelchen steigen Und flattern am Bache entlang. O Erlen, o wachset und blühet Mit unserer Liebe doch nur Ich wette, in kurzer Zeit siehet Man euch als die Höchsten der Flur. Und kommet ein anderes Pärchen, Das herzlich sich liebet wie wir Ich und mein goldlockiges Klärchen, So schatte ihm Ruhe auch hier. Novalis, Georg Friedrich Philipp Freiherr von Hardenberg, 1772-1801 - Die Schlafende unterm Nußbaum Der grüne Nußbaum mit den grünen Nüssen Steht ausgebreitet in dem Sommerraum, Mit seinen Blätterschirmen rund geweitet, Die lautlos deinen Schlaf behüten müssen. Und nur der Wolke dunstiger Schaum Begleitet in die Ferne deinen Traum. Still wie gestorben liegst du in dem Blätterhaus, Und draußen trocknet Heu im Sonnenschein, Es schläft das stille Heu sich mit dir aus. Es dörren drinnen Blumen falb und klein, Sie wurden all' von Hitze ganz von Sinnen Und starben alle unterm Sichelblitze. Sie ließen sich vom Tode minnen Und fielen um auf ihrem grünen Sitze, Schlossen wie du die helle Augenritze

Und liegen da mit stillen Rumpfen, Wie du im Schlaf, im dumpfen, Unter den Nußbaum deinen Leib gelegt, Indes dein Traum allein dein Herz bewegt Und mit der Wolke hinzieht an der Erde Saum. Tote und Schlafende, sie sind unendlich, Sind kaum noch Schaum im Weltenraum, Doch ist der Schlaf nur wie vom Tod der Flaum. Max Dauthendey 1867-1918 - Gingko biloba Dieses Baums Blatt, der von Osten Meinem Garten anvertraut, Giebt geheimen Sinn zu kosten, Wie's den Wissenden erbaut. Ist es ein lebendig Wesen, Das sich in sich selbst getrennt, Sind es zwey, die sich erlesen, Daß man sie als eines kennt. Solche Frage zu erwiedern Fand ich wohl den rechten Sinn, Fühlst du nicht an meinen Liedern, Daß ich Eins und doppelt bin. Westöstlicher Diwan Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832 - Lockung Hörst du nicht die Bäume rauschen Draußen durch die stille Rund? Lockts dich nicht, hinabzulauschen Von dem Söller in den Grund, Wo die vielen Bäche gehen Wunderbar im Mondenschein

Und die stillen Schlösser sehen In den Fluß vom hohen Stein? Kennst du noch die irren Lieder Aus der alten, schönen Zeit? Sie erwachen alle wieder Nachts in Waldeseinsamkeit, Wenn die Bäume träumend lauschen Und der Flieder duftet schwül Und im Fluß die Nixen rauschen – Komm herab, hier ists so kühl. Joseph, Freiherr von Eichendorff, 1788-1857 - Ein Fichtenbaum steht einsam Im Norden auf kahler Höh. Ihn schläfert; mit weißer Decke Umhüllen ihn Eis und Schnee. Er träumt von einer Palme, Die, fern im Morgenland, Einsam und schweigend trauert Auf brennender Felsenwand. Heinrich Heine, 1797-1856 -

An einen Baum am Spalier Armer Baum! - an deiner kalten Mauer fest gebunden, stehst du traurig da, fühlest kaum den Zephir, der mit süßem Schauer in den Blättern freier Bäume weilt und bei deinen leicht vorübereilt. O! dein Anblick geht mir nah! und die bilderreiche Phantasie stellt mit ihrer flüchtigen Magie eine menschliche Gestalt schnell vor mich hin, die, auf ewig von dem freien Sinn der Natur entfernt, ein fremder Drang auch wie dich in steife Formen zwang. Sophie Mereau, 1770-1806 -

La branche d'amandier De l'amandier tige fleurie, Symbole, hélas! de la beauté, Comme toi, la fleur de la vie Fleurit et tombe avant l'été. Qu'on la néglige ou qu'on la cueille, De nos fronts, des mains de l'Amour, Elle s'échappe feuille à feuille, Comme nos plaisirs jour à jour! Savourons ces courtes délices; Disputons-les même au zéphyr, Epuisons les riants calices De ces parfums qui vont mourir. Souvent la beauté fugitive Ressemble à la fleur du matin, Qui, du front glacé du convive, Tombe avant l'heure du festin. Un jour tombe, un autre se lève; Le printemps va s'évanouir; Chaque fleur que le vent enlève Nous dit : Hâtez-vous de jouir. Et, puisqu'il faut qu'elles périssent, Qu'elles périssent sans retour! Que ces roses ne se flétrissent Que sous les lèvres de l'amour! - Alphonse de Lamartine, 1790-1869

Über Früchte Erdbeersträuchlein Ein Mägdlein an des Felsen Rand ein nacktes Erdbeersträuchlein fand, von Sturm und Regengüssen zerzaust und losgerissen. Da sprach das Mägdlein leise: Du arme nackte Waise, komm mit mir in den Garten mein, du sollst mir wie ein Kindlein sein. Drauf macht' es wohl die Wurzeln los und trug das Pflänzchen in dem Schoss und spähte still und wonnig ein Plätzchen kühl und sonnig, und wühlte in der Erde mit emsiger Geberde, und pflanzte nun das Plfänzchen drein und sprach: Das soll dein Bettchen sein. Und als die Frühlingszeit erschien, begann das Pflänzchen schön zu blühn, wie sieben weisse Sterne; das sah das Mägdlein gerne. Da wurden sieben Beeren, als ob's Rubinen wären. Seht, sprach's es will nun dankbar sein, und meint, ich sei sein Mütterlein. Friedrich Rückert, 1788-1866 - Die Erdbeeren Holde Erdentöchter, Frühlings frühe Kinder, Schon aus Sonnenvaters Warmem Lebenshauche Und aus Mutter-Erden

Kühlem Schooß empfangen, Kühle, süße Beeren! Wie sie dort im Grase Hügelaufwärts glühen Und ins Grün erröthen, Jetzt den Wandrer lieblich Locken, jetzt entschlüpfend Täuschen – Buhlerinnen, Wie die Erdentöchter! Ha, wie Vater Frühlings Odem sie durchbalsamt, Und der Mutter Erde Kühle sie erfrischet! Wie aus niederm Grase Labung auf sie duften! Glühen da wie Sterne! Sollet bald in Schaaren Lieblich schwimmen! – Sterne, Jetzt in weißer Unschuld, Jetzt in goldnem Feuer Schöngepaaret! Feuer, Unschuld! und der Liebe Und der Freude Töchter! Mir ein ganzer Frühling, Mir ein ganzes Leben! Unschuld, Kraft und Freude, Kühl' und Süße! Rose Ohne Stachel, Labung Ohne Felsenschlaube! Schön und tief im Grase! Mir ein ganzer Frühling, Mir ein Duft aus Eden! Als einst Paradieses Sel'ge Fluren schwanden, Waren's Manns Gebete, Waren's Eva's Thränen, Die zu Duft da blieben?

Oder bracht' ein Bruder- Engel Euch hinieden In die Wilde? – Labung Wo dem matten Wandrer Zu bereiten, Labung, Als er, halb verschmachtet, Traurig abwärts blickte? Kommt dem matten Wandrer Auch in wüster Wilde Labung! Wenn er traurig Pfadverloren abwärts Blicket – dann erscheint ihm Kühle, Labung, ferner Rosenduft aus Eden! Johann Gottfried Herder, 1744-1803 - Lob der schwarzen Kirschen Des Weinstocks Saftgewächse ward Von tausend Dichtern laut erhoben; Warum will denn nach Sängerart Kein Mensch die Kirsche loben? O die karfunkelfarbne Frucht In reifer Schönheit ward vor diesen Unfehlbar von der Frau versucht, Die Milton hat gepriesen. Kein Apfel reizet so den Gaum Und löschet so des Durstes Flammen; Er mag gleich vom Chineser-Baum In ächter Abkunft stammen. Der ausgekochte Kirschensaft Giebt aller Sommersuppen beste, Verleiht der Leber neue Kraft Und kühlt der Adern Äste; Und wem das schreckliche Verboth Des Arztes jeden Wein geraubet,

Der misch ihn mit der Kirsche roth Dann ist er ihm erlaubet; Und wäre seine Lunge wund, Und seine ganze Brust durchgraben: So darf sich doch sein matter Mund Mit diesem Tranke laben. Wenn ich den goldenen Rheinstrandwein Und silbernen Champagner meide, Dann Freunde mischt mir Kirschblut drein Zur Aug- und Zungenweide: Dann werd' ich eben so verführt, Als Eva, die den Baum betrachtet, So schön gewachsen und geziert, Und nach der Frucht geschmachtet. Ich trink und rufe dreymal hoch! Ihr Dichter singt im Ernst und Scherze Zu oft die Rose, singet doch Einmal der Kirschen Schwärze! Anna Louisa Karsch, 1721-1791 - Einkehr Bei einem Wirte, wundermild; da war ich jüngst zu Gaste; ein goldner Apfel war sein Schild an einem langen Aste. Es war der gute Apfelbaum, bei dem ich eingekehret; mit süßer Kost und frischem Schaum hat er mich wohl genähret. Es kamen in sein grünes Haus viel leichtbeschwingte Gäste; sie sprangen frei und hielten Schmaus und sangen auf das Beste.

Ich fand ein Bett zu süßer Ruh auf weichen, grünen Matten; der Wirt, er deckte selbst mich zu mit seinem kühlen Schatten. Nun fragt' ich nach der Schuldigkeit, da schüttelt' er den Wipfel. Gesegnet sei er allezeit von der Wurzel bis zum Gipfel! Ludwig Uhland, 1787-1862 - Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, Ein Birnbaum in seinem Garten stand, Und kam die goldene Herbsteszeit Und die Birnen leuchteten weit und breit, Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl, Der von Ribbeck sich beide Taschen voll, Und kam in Pantinen ein Junge daher, So rief er: "Junge wiste 'ne Beer?" Und kam ein Mädel, so rief er: "Lütt Dirn, Kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn." So ging es viele Jahre, bis lobesam Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam. Er fühlte sein Ende. ´s war Herbsteszeit, Wieder lachten die Birnen weit und breit, Da sagte von Ribbeck: "Ich scheide nun ab. Legt mir eine Birne mit ins Grab." Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus, Trugen von Ribbeck sie hinaus, Alle Bauern und Büdner, mit Feiergesicht, Sangen "Jesus meine Zuversicht. Und die Kinder klagten, das Herze schwer, "He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?" So klagten die Kinder. Das war nicht recht, Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht,

Der neue freilich, der knausert und spart, Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt, Aber der alte, vorahnend schon Und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn Der wußte genau, was damals er tat, Als um eine Birn ins Grab er bat, Und im dritten Jahr, aus dem stillen Haus, Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus. Und die Jahre gehen wohl auf und ab, Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab, Und in der goldenen Herbsteszeit Leuchtet's wieder weit und breit Und kommt ein Jung übern Kirchhof her, So flüstert's im Baume: "Wiste 'ne Beer?" Und kommt ein Mädel, so flüstert's: "Lütt Dirn, Kumm man röwer, ick gew di´ ne Birn." So spendet Segen noch immer die Hand Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland. Theodor Fontane, 1819-1898 - Garten-Gedichte - Von Gärten und Parks Sonnenblume im Gemüsegarten Hinter jenem alten Lattenzaun dort drüben, der schon ziemlich arg verwittert ist vom Sturm der Zeit, sonnt sich ein Gemüsegarten in Beschaulichkeit. Neben Kraut und Unkraut wachsen friedlich Kohl und Rüben. Neben einem Kürbis reifen zarte Zuckerschötchen. Alles, was für eine Hausfrau nütz- und dienlich ist, ist hier kunterbunt vertreten. Knollen neben Knötchen wachsen unter einer Sonne – und aus einem Mist. Hinter jenem Lattenzaun dort zwischen grünen Bohnen, hoch empor, erhaben über dem Gerank,

sieht man, wie aus purem Gold zum Himmel strahlend, blank eine wunderschöne, große Sonnenblume thronen. Leuchtend wendet sie zur Sonne ihr Gesicht, alles, was da unten kreucht, kann sie nicht stören. Sie bestrahlt mit überreichem Glanz und Licht tief im Schatten die Radieschen und die Möhren. Veilchen, Petersilie, Mohn und Sellerie sprießen alle aus der gleichen Erdenkrume. Neben Kraut und Rüben blüht die Sonnenblume. Selbst auf einem Düngerhaufen liegt ein Stücklein Poesie. Fred Endrikat, 1890-1942 Gemüse ... ...und Gärtner Der alte Garten Kaiserkron und Päonien rot, Die müssen verzaubert sein, Denn Vater und Mutter sind lange tot, Was blühn sie hier so allein?

Der Springbrunn plaudert noch immerfort Von der alten schönen Zeit, Eine Frau sitzt eingeschlafen dort, Ihre Locken bedecken ihr Kleid. Sie hat eine Laute in der Hand, Als ob sie im Schlafe spricht, Mir ist, als hält ich sie sonst gekannt — Still, geh vorbei und weck sie nicht! Und wenn es dunkelt das Tal entlang, Streift sie die Saiten sacht, Da gibts einen wunderbaren Klang Durch den Garten die ganze Nacht. Joseph Frh. v. Eichendorff, 1788-1857 - In einem alten Garten Resedaduft entschwebt im braunen Grün, Geflimmer schauert auf den schönen Weiher, Die Weiden stehn gehüllt in weiße Schleier Darinnen Falter irre Kreise ziehn. Verlassen sonnt sich die Terrasse dort, Goldfische glitzern tief im Wasserspiegel, Bisweilen schwimmen Wolken übern Hügel, Und langsam gehn die Fremden wieder fort. Die Lauben scheinen hell, da junge Frau'n Am frühen Morgen hier vorbeigegangen, Ihr Lachen blieb an kleinen Blättern hangen, In goldenen Dünsten tanzt ein trunkener Faun. Georg Trakl, 1887-1914 - In einem stillen Garten, an eines Brunnens Schacht, wie wollt ich gerne warten die lange graue Nacht.

Viel helle Lilien blühen um des Brunnens Schlund; drin schwimmen golden die Sterne, drin badet sich der Mond. Und wie in den Brunnen schimmern die lieben Sterne hinein, glänzt mir im Herzen immer deiner lieben Augen Schein. Die Sterne doch am Himmel, die stehn uns all so fern; in deinem stillen Garten stünd’ ich jetzt so gern. Richard Dehmel, 1863-1920 - In eines Armen Gärtchen ... In eines armen Gärtchen, tief verborgen, Blüht einsam eine wunderschöne Rose, Sie schmückt mit Tau der klare Sommermorgen, Und schmeichelnd um sie her die Abendlüfte kosen. Doch nichts bewegt ihr schuldlos heitres Leben; Sich unbewußt, in kindlich süßem Träumen, Schaut unverwandt mit ahnungsvollem Beben Die Zarte nach des Äthers fernen blauen Räumen. Da naht er sich mit goldnen Liebesschwingen, Der Schmetterling wiegt sich im Glanz der Sonne, Er wird der Rose teure Grüße bringen, Sie wecken zu der Liebe Weh und Wonne.

Schon glühet sie von seinen heißen Küssen, Nicht weiß die Arme, wie ihr will geschehen, Sie siehet tausend Blütensterne sprießen Und rings um sich ein Zauberland entstehen. Das zarte Herz, das lang verschlossen träumte, Erschließt sich jetzt in unbegrenztem Sehnen; Was unsichtbar im reichen Innern keimte, Eröffnet üppig sich mit Liebestränen. Noch zittert sie, und schon ist sie entschwunden, Der schöne Fremdling, dem sie sich ergeben. Er hat sie leider nimmermehr gefunden - Lang ist die Liebe, doch nur kurz ist das Leben. Und stille wird die Rose nun verblühen, Die Blätter fallen schon, eins nach dem andern. So wird auch unser Jugendstern verglühen - Wir träumen nur, wir lieben und wir wandern. Gottfried Keller, 1819-1890 - Mein Garten Schön ist mein Garten mit den goldnen Bäumen, Den Blättern, die mit Silbersäuseln zittern, Dem Diamantentau, den Wappengittern, Dem Klang des Gong, bei dem die Löwen träumen, Die ehernen, und den Topasmäandern Und der Volière, wo die Reiher blinken, Die niemals aus dem Silberbrunnen trinken ... So schön, ich sehn mich kaum nach jenem andern, Dem andern Garten, wo ich früher war. Ich weiß nicht wo ... Ich rieche nur den Tau, Den Tau, der früh an meinen Haaren hing, Den Duft der Erde weiß ich, feucht und lau, Wenn ich die weichen Beeren suchen ging ... In jenem Garten, wo ich früher war ... Hugo von Hofmannsthal, 1874-1929 -

Der Apfelgarten ( Borgeby-Gård ) Komm gleich nach dem Sonnenuntergange, sieh das Abendgrün des Rasengrunds; ist es nicht, als hätten wir es lange angesammelt und erspart in uns, um es jetzt aus Fühlen und Erinnern, neuer Hoffnung, halbvergessnem Freun, noch vermischt mit Dunkel aus dem Innern, in Gedanken vor uns hinzustreun unter Bäume wie von Dürer, die das Gewicht von hundert Arbeitstagen in den überfüllten Früchten tragen, dienend, voll Geduld, versuchend, wie das, was alle Maße übersteigt, noch zu heben ist und hinzugeben, wenn man willig, durch ein langes Leben nur das Eine will und wächst und schweigt. Rainer Maria Rilke, 1875-1926 - Die Töchter der Gärtnerin Die eine füllt die großen Delfter Krüge, Auf denen blaue Drachen sind und Vögel, Mit einer lockern Garbe lichter Blüten: Da ist Jasmin, da quellen reife Rosen Und Dahlien und Nelken und Narzissen ... Darüber tanzen hohe Margeriten Und Fliederdolden wiegen sich und Schneeball Und Halme nicken, Silberflaum und Rispen ... Ein duftend Bacchanal ... Die andre bricht mit blassen feinen Fingern Langstielige und starre Orchideen, Zwei oder drei für eine enge Vase ... Aufragend mit den Farben die verklingen, Mit langen Griffeln, seltsam und gewunden, Mit Purpurfäden und mit grellen Tupfen,

Mit violetten, braunen Pantherflecken Und lauernden, verführerischen Kelchen, Die töten wollen ... Hugo von Hofmannsthal, 1864-1929 - Und immer geiler der Holunder im Dunkelgrünen blüht Und immer geiler der Holunder im Dunkelgrünen blüht Und in der Nacht wie ein Verführer blind sich müht. Er hat sich in der schwülen Luft breitbrüstig aufgemacht. Er lacht an allen Gartentüren, wie ein Brandstifter heimlich lacht, Die Wurzel seinen Rumpf mit viel Geheimem gern ernährt, Und um ihn rings die Luft toll von den tollsten Schwüren gährt. Er hat schon manchen Schrei erstickt mit seiner Blüten Brunstgeruch, Und hat oft zweien Leib an Leib ein Dach für Lust und Fluch gewährt, Daß manche Hand nach Jahren noch ans Herz sich fährt. aus: Lusamgärtlein Max Dauthendey 1867 - 1918 -

Die bunten Astern Die bunten Astern sind wie ein Regenbogen In den nassen Garten eingezogen, Wie Gesichter, die schon etwas frieren. Die großen Äpfel an den Spalieren, Die hängen wie trutzige Köpfe dort; Bald trägt sie mein Schatz in der Schürze fort. Der Morgen ist kalt und die Blätter sind alt; Bald hat die Nacht ständig die Obergewalt. Und wenn die Astern den Garten verlassen, Wird der Winter die Menschen anfassen. Trag jeder seinen Garten beizeiten ins Haus, Bei einem Schatz geht der Sommer nicht aus. Max Dauthendey 1867-1918 - An den Schnittlauch O gutes Grün, wie sprichst du mich zärtlich an, Wie heilig schweigst du von dem Geheimnisse. Du letzter Schmuck der armen Mutter, Die ihren Schoß mit der Söhne Blut färbt. Daß du zugleich bist und daß mit dir zugleich Der Wille lebt, an dem eine Menschheit stirbt – Ach, irdisch Unmaß! und dir wird nicht Fahler die Farbe, du grüne Hoffnung. O letztes Leben und wie das Leben auch Verkannt, du Anbot wahrster Bescheidenheit, Du selbstgenügsam stille Pflanze, Die nur wie Schnittlauch schmeckt und duftet.

Nach etwas suchend, welches kein andres ist, Im Kreis des Lebens, das im Ersatz sich lebt, Bloß deine gute Gabe sah ich, Chemischem Zauber unerreichbar. Daß gleichwohl, grüne Freundschaft, du eßbar seist, Wenn auf dem Teller treu du dich hingestreut – Es rührt noch von dem alten Hunger. Stets hat der Mensch von der Seele gegessen. Karl Kraus, 1874-1936 - Im Treibhaus Hochgewölbte Blätterkronen, Baldachine von Smaragd, Kinder ihr aus fernen Zonen, Saget mir, warum ihr klagt? Schweigend neiget ihr die Zweige, Malet Zeichen in die Luft, Und der Leiden stummer Zeuge, Steiget aufwärts süßer Duft. Weit in sehnendem Verlangen Breitet ihr die Arme aus, Und umschlinget wahnbefangen Öder Leere nicht'gen Graus. Wohl, ich weiß es, arme Pflanze: Ein Geschicke teilen wir, Ob umstrahlt von Licht und Glanze, Unsre Heimat ist nicht hier!

Und wie froh die Sonne scheidet Von des Tages leerem Schein, Hüllet der, der wahrhaft leidet, Sich in Schweigens Dunkel ein. Stille wird's, ein säuselnd Weben Füllet bang den dunkeln Raum: Schwere Tropfen seh' ich schweben An der Blätter grünem Saum. Mathilde Wesendonck, 1828-1902 - Parks Im Park Sieh, der Kastanie kindliches Laub hängt noch wie der feuchte Flügel des Papillons, wenn er die Hülle verließ; Aber in laulicher Nacht der kürzeste Regen entfaltet Leise die Fächer und deckt schnelle den luftigen Gang. - Du magst eilen, o himmlischer Frühling oder verweilen, Immer dem trunkenen Sinn fliehst du, ein Wunder, vorbei. Eduard Mörike, 1804-1875 -

Lusamgärtlein (Würzburg) Frühlingslieder aus Franken Dem Andenken Walthers von der Vogelweide und seinem "Lusamgärtlein" Ein lustsam Gärtlein auf weißem Papier Ein lustsam Gärtlein auf weißem Papier, Nie welke drinnen Lied noch Blatt. Buchstaben stehen als Blumen hier, Aus Reim und Zeil' es Landschaft hat. Du findest dort den ersten Reim, Den Frühling voller Liebessinn, Bis in den Sommer voll Honigseim. Schick' deine Augen wie Bienen hin, Jed' Lied will lustsam als Laube dienen. Max Dauthendey 1867-1918 - Die Blumen Bedauerniss Ach, dass vieler Blumen Namen Mir so unbekannt! Viele stehn schon bald in Samen, Die ich nie genannt, Und doch möchte‘ ich all der Lust, Die enthüllt der Erde Brust, All der Schönheit, unvermessen, Auch im Kleinen nie vergessen. Karl Mayer, 1786-1870 -

Blumen Blumen sind uns nah befreundet, Pflanzen unserm Blut verwandt, Und sie werden angefeindet, Und wir thun so unbekannt. Unser Kopf lenkt sich zum Denken Und die Blume nach dem Licht, Und wenn Nacht und Thau einbricht Sieht man sie die Blätter senken. Wie der Mensch zum Schlaf' einnickt, Schlummert sie in sich gebückt. Schmetterlinge fahren nieder, Summen hier und summen dort, Summen ihre trägen Lieder, Kommen her und schwirren fort. Und wenn Morgenroth den Himmel säumt, Wacht die Blum' und sagt, sie hat geträumt, Weiß es nicht, daß voll von Schmetterlingen Alle Blätter ihres Kopfes hingen. Ludwig Tieck, 1773-1853 - Die Blumen Die schönen Farben dürfen nicht mehr glänzen, Man darf den süßen Putz nicht mehr entfalten. Wie ziemt' es auch zu solchen hohen Tänzen, Wo Sterne heilig walten, Die das Azur umkränzen, Und nimmer wohl veralten? Wenn sich des Himmels Blumen herrlich zeigen, So muß der Erde Kinderglanz ja schweigen. Das Eine kann uns auch die Nacht nicht rauben, Daß wir in Düften unser Sein verkünden; Muß jungen Blüten noch die Lust erlauben, Wo sie in dunklen Gründen Und schön geflochtnen Lauben

So innig sich verbünden, Die Luft mit süßerm Wohlgeruch zu füllen, Je dichter sie sich selbst in Schatten hüllen. Vergeblich strebt der Mensch mit schlauem Sinne, Von welcher Blume wohl der Duft, zu fühlen, Daß jeder Blume Geist sein Geist gewinne! Wo holde Lüfte spielen, Daß jeder Hauch zerrinne, Umflossen von Gefühlen Vergißt er bald, von welcher Lust er trinket, Wenn er berauscht in Balsamfluten sinket. Friedrich Schlegel, 1772-1829 - Die Blumen Sieh die zarten Blüthen keimen Wie sie aus sich selbst erwachen, Und wie Kinder aus den Träumen Dir entgegen lieblich lachen. Ihre Farbe ist im Spielen Zugekehrt der goldnen Sonne, Deren heißen Kuß zu fühlen, Das ist ihre höchste Wonne: An den Küssen zu verschmachten, Zu vergehn in Lieb' und Wehmuth; Also stehn die eben lachten Bald verwelkt in stiller Demuth. Das ist ihre höchste Freude, Im Geliebten sich verzehren, Sich im Tode zu verklären, Zu vergehn in süßem Leide. Dann ergießen sie die Düfte, Ihre Geister, mit Entzücken, Es berauschen sich die Lüfte Im balsamischen Erquicken.

Liebe kommt zum Menschenherzen, Regt die goldnen Saitenspiele, Und die Seele spricht: ich fühle Was das Schönste sei, wonach ich ziele, Wehmuth, Sehnsucht und der Liebe Schmerzen. Ludwig Tieck, 1773-1853 - Schneeglöckchen `s war doch wie ein leises Singen In dem Garten heute Nacht, Wie wenn laue Lüfte gingen: "Süße Glöcklein, nun erwacht, Denn die warme Zeit wir bringen, Eh's noch jemand hat gedacht." `s war kein Singen, `s war ein Küssen, Rührt die stillen Glöcklein sacht, Daß sie alle tönen müssen Von der künftgen bunten Pracht. Ach, sie konnten`s nicht erwarten, Aber weiß vom letzten Schnee War noch immer Feld und Garten Und sie sanken um vor Weh. So schon manche Dichter streckten Sangesmüde sich hinab, Und der Frühling, den sie weckten, Rauschte über ihrem Grab. Joseph von Eichendorff, 1788-1857

Anemonen Sag, woher kommen Die schönen, die frommen, Die Tausend und Abermillionen Weißgekleideter Anemonen? "Wir sind die Kindlein, die abgeschieden So frühe hienieden; Nun wohnen wir oben Im Vaterhause da droben." Was tut ihr nun hier Im Waldesrevier, Ihr lieblichen Kleinen Beim Frühlingserscheinen? "Drum dürfen wir fort, Jedes an seinen Heimatort; Auf Ostern da wird Vakanz gegeben, Drei Wochen lang welch ein Freudenleben!" "Und drum sind wir hier Im Waldesrevier Alles weiß gekleidet. Mägdlein wie Söhnlein Mit goldenen Krönlein." Christian Wagner, 1835-1918 - Anemonen am Ostersamstag Wie die Frauen Zions wohl dereinst beim matten Grauen Jenes Trauertags beisammen standen, Worte nicht mehr, nur noch Tränen fanden; So noch heute, Stehen als in ferne Zeit verstreute Bleiche Zionstöchter, Anemonen, In des Nordens winterlichen Zonen: Vom Gewimmel Dichter Flocken ist er trüb der Himmel;

Traurig stehen sie die Köpfchen hängend, Und in Gruppen sich zusammendrängend. Also einsam, Zehn und zwölfe hier so leidgemeinsam, Da und dort verstreut auf grauer Öde, Weiße Tüchlein aufgebunden Jede. Also trauernd, Innerlich vor Frost zusammenschauernd, Stehn alljährlich sie als Klagebildnis, In des winterlichen Waldes Wildnis. Christian Wagner, 1835-1918 - primula veris Liebliche Blume, Bist du so früh schon Wiedergekommen? Sei mir gegrüßet, Primula veris! Leiser denn alle Blumen der Wiese Hast du geschlummert, Liebliche Blume, Primula veris! Dir nur vernehmbar Lockte das erste Sanfte Geflüster Weckenden Frühlings, Primula veris! Mir auch im Herzen Blühte vor Zeiten, Schöner denn alle Blumen der Liebe, Primula veris! Liebliche Blume, Primula veris!

Holde, dich nenn ich Blume des Glaubens. Gläubig dem ersten Winke des Himmels Eilst du entgegen, Öffnest die Brust ihm. Frühling ist kommen. Mögen ihn Fröste, Trübende Nebel Wieder verhüllen; Blume, du glaubst es, Daß der ersehnte Göttliche Frühling Endlich gekommen Öffnest die Brust ihm; Aber es dringen Lauernde Fröste Tödlich ins Herz dir. Mag es verwelken! Ging doch der Blume Gläubige Seele Nimmer verloren. Nikolaus Lenau, 1802-1850 - Blumen und Sterne Sterne sind Blumen am Himmelsazur, Blumen sind Sterne der irdischen Flur, Sterne am Himmel und Blumen im Land, Beide gesät von allmächtiger Hand. Blumen im Felde — manch lieblichen Strauss Pflückt ich mit Freuden und trug ihn nach Haus, Sterne am Himmel — wie oft in der Nacht Schaut ich empor zu der funkelnden Pracht! Blumen der Wiese, sie blühen so schön, Aber sie müssen so balde vergehn;

Ewig am Himmel blüht Stern wohl an Stern, Aber sie stehen so hoch und so fern. Oft von der Blumen verwelkendem Flor Blickt ich zu himmlischen Sternen empor, Aber es kehrte der irdische Blick Gern auch von Sternen zu Blumen zurück. Traun mich erfreute kein Blümlein im Feld Glänzte nicht drüber das Sternenzelt, Trann mich erschreckte der himmlische Saal, Blühte kein Blümlein im irdischen Tal Drum so verehret die himmlische Macht, Welche so Blumen, wie Sterne gemacht, Drum so verdenket dem Sänger es nicht, Wenn er die Blumen mit Sternen durchflicht. Sind auch die Sterne nicht glänzend genug: Nehmt zu den Sternen nur selber den Flug; Dünkt euch der Sänger kein Fürst im Gesang: Zählt man doch Sterne vom siebenten Rang! Scheinen die Blumen euch dürftig und bleich: Tausende blühen ringsum noch im Reich; Jeglicher Frühling streut schönere aus, Wählet und bindet euch selber den Strauss! Karl Friedrich von Gerok, 1815-1890 - Ein Veilchen blühte still verborgen Ein Veilchen blühte still verborgen, Da fliegt ein Schmetterling vorbei Und setzt sich fern, sitzt bang voll Sorgen, Das Veilchen grüßt: "Recht guten Morgen!" Und frägt, warum er traurig sei. "Ich komm' herauf von jener Heide, Da sind sie alle schön geschmückt Mit Gold auf ihrem Flügelkleide – Den stolzen Blumen ihre Freunde -, Nur mich hat keine angeblickt. "Ich hab' kein Gold auf meinem Flügel,

Es hat's der Mond, der Sterne Licht, Es hat's der Baum auf jedem Hügel, Es hat's der Bach auf seinem Spiegel; Nur ich bin arm, ich hab' es nicht!" Doch bei der ersten Sterne Schimmer Lag er beim Veilchen duftberauscht, Und diese Eine Nacht hätt' nimmer Um all' des Goldes Glanz und Flimmer Der arme Falter eingetauscht. Herrmann von Gilm zu Rosenegg, 1812-1864 - Die blauen Frühlingsaugen Schaun aus dem Gras hervor; Das sind die lieben Veilchen, Die ich zum Strauß erkor. Ich pflücke sie und denke, Und die Gedanken all, Die mir im Herzen seufzen, Singe laut die Nachtigall. Ja, was ich denke, singt sie Lautschmetternd, daß es schallt; Mein zärtliches Geheimnis Weiß schon der ganze Wald. Heinrich Heine, 1797-1856 - Das Veilchen und der Schmetterling Ein Veilchen auf der Wiese stand an Baches Rand und sandte ungesehen, bei sanftem Frühlingswehen süßen Duft durch die Luft. Da kommt auf schwankendem Flügel ein Schmetterling über den Hügel und senket zur kurzen Rast zum Veilchen sich nieder als Gast.

Schmetterling: Ei! Veilchen! Wie du töricht bist, zu blühen, wo niemand dein genießt! Veilchen Nicht ungenossen blüh ich hier, ein Schäfer kommt gar oft zu mir und atmet meinen Duft und spricht: "Ein solches Blümchen fand ich nicht, wei Veilchen du! Auf Wiesen, Auen ist keines mehr wie du zu schauen! Schmetterling `s ist schöner doch, glaub meinem Wort, zu blühn auf freier Wiese dort, in jener bunten Blumenwelt, als hier im dunklen Schattenzelt! Veilchen Hier bin ich meines Schäfers Wonne, dort aber bleichet mich die Sonne, und ohne Farbe, ohne Duft, find ich zu früh dort meine Gruft, drum blüh ich in der Einsamkeit, wenn auch nur Einer mein sich freut. Nikolaus Lenau, 1802-1850 - Aurikelchen Aurikelchen, Aurikelchen stehn auf meinem Beet, und sehn den blauen Himmel an, wo schon den ganzen Morgen die goldne Sonne steht. Aurikelchen, Aurikelchen, was kuckt ihr denn so sehr? Ihr seid ja selbst so gelb wie Gold, und habt ein hellrot Herzchen, was wollt ihr denn noch mehr! Richard Dehmel, 1863-1920 - vertont von Armin Knab

Daffodils I wandered lonely as a cloud That floats on high o'er vales and hills, When all at once I saw a crowd, A host, of golden daffodils; Beside the lake, beneath the trees, Fluttering and dancing in the breeze. Continuous as the stars that shine And twinkle on the Milky Way, They stretch'd in never-ending line Along the margin of a bay: Ten thousand saw I at a glance, Tossing their heads in sprightly dance. The waves beside them danced; but they Out-did the sparkling waves in glee: A poet could not but be gay, In such a jocund company: I gazed and gazed, but little thought What wealth the show to me had brought: For oft, when on my couch I lie In vacant or in pensive mood, They flash upon that inward eye Which is the bliss of solitude; And then my heart with pleasure fills, And dances with the daffodils. William Wordsworth, 1770-1850 -

She dwelt among the untrodden ways Beside the springs of Dove, A Maid whom there were none to praise And very few to love: A violet by a mossy stone Half hidden from the eye! Fair as a star, when only one Is shining in the sky. She lived unknown, and few could know When Lucy ceased to be; But she is in her grave, and, oh, The difference to me! William Wordsworth, 1770-1850 - In einem Frühlingsgarten Wie riecht am Beet der frische Buchs, Wie dehnt sich jede Kraft, Und Alles strebt im Frühlingswuchs, Wie treibt und quillt der Saft. Im jungen Stachelbeerenstrauch Zeigt sich der erste Schoß, Die alte ruppige Kiefer auch Erfreut ein neuer Sproß. Und Alles lebt und Alles blüht, Der warme Sonnenhort Wirkt auch im innersten Geblüt Der beiden Falken dort, Die sich im Liebestaumelflug, Vor keinem Traualtar, Umkreisen auf dem Hochzeitszug; Wie blitzt ihr Flügelpaar. Ich stehe am Kastanienbaum, Wo noch die Knospe klebt, Wo eben durch den Gartentraum Ein blauer Falter schwebt. Mein Auge schweift so sehnsuchtsvoll,

Weiß nicht warum, wohin, Wohl das es immer suchen soll Die kleine Gärtnerin. Und heimlich flattert her ein Gruß, Sie gräbt die Schollen auf. Ihr derber Strumpf, ihr kleiner Fuß Bringt schnell mein Blut in Lauf. An ihrer Seite bin ich bald, Sie kichert und wird rot, Und tut so spröde, tut so kalt, Das macht mir wenig Not. Halt ein und laß das Graben sein, Und komm an meine Brust. Da sträubt sie sich in holder Pein Und wechselt Angst und Lust. Bis ich in meinen Arm sie zwang, Noch immer will sie fliehn; Hat endlich doch in Trieb und Drang Dem wilden Sturm verziehn. Detlev von Liliencron, 1844-1909 -

Die Traubenhyazinthe Angenehmes Frühlingskindchen, Kleines Traubenhyazinthchen, Deiner Farb und Bildung Zier Zeiget mit Verwunderung mir Von der bildenden Natur eine neue Schönheitsspur. An des Stengels blauer Spitzen Sieht man, wenn man billig sieht, Deiner sonderbaren Blüt` Kleine blaue Kugeln sitzen, Dran, so lange sich ihr Blatt Noch nicht aufgeschlossen hat, Wie ein Purpurstern sie schmücken, Man nicht sonder Lust erblicket. Aber wie von ungefähr Meine Blicke hin und her Auf die offnen Blumen liefen, Konnt ich in den blauen Tiefen Wie aus himmelblauen Höhen Silberweiße Sternchen sehen, Die in einer blauen Nacht, So sie rings bedeckt, im Dunkeln

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